17.12.2024Interviews

Interview mit MICE-Experte Oliver Stoldt

Einblicke in die Zukunft der MICE-Branche

  • Interview mit MICE-Experte Oliver Stoldt - MICE Service Group
    Interview mit MICE-Experte Oliver Stoldt - MICE Service Group
Oliver Stoldt, ehemaliger Hoteldirektor in Interlaken und Grindelwald sowie Gründer des Alpensymposiums, teilt in einem exklusiven Interview mit der Hotel Revue seine Einschätzungen zur Entwicklung der MICE-Branche.

Heute unterstützt er als Berater und Referent Unternehmen bei der Gestaltung unvergesslicher Events. Von den Auswirkungen der Pandemie bis hin zu den Trends der kommenden Jahre. Oliver Stoldt gibt wertvolle Einblicke und Tipps für Veranstalter und Hoteliers.

Schauen Sie sich hier den ganzen Videocast mit Oliver Stoldt an.

Hotel Revue im Interview mit MICE-Experte Oliver Stoldt

Covid hat gerade die MICE-Welt äusserst brutal getroffen. Welches sind die wichtigsten Learnings aus der Pandemie?

Die Covid-19-Pandemie wirkte wie ein Katalysator für die Digitalisierung und die Verbreitung hybrider Veranstaltungsformate. Besonders in Regionen, die mit strengeren Einschränkungen konfrontiert waren als die Schweiz, mussten Hotels und Veranstalter schnell technologisch aufrüsten, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben und den veränderten Marktanforderungen gerecht zu werden. Gleichzeitig zeigte sich, wie entscheidend Agilität und Anpassungsfähigkeit sind. Sowohl Veranstalter als auch Locations waren gezwungen, sich ständig auf neue Herausforderungen einzustellen und kreative Lösungen zu entwickeln, um trotz Abstandsregeln ein Stück Normalität in die neue Wirklichkeit zu überführen.

Obwohl technologische Innovationen während dieser Zeit eine zentrale Rolle spielten, blieb die Sehnsucht nach echten, persönlichen Kontakten bei den Kunden ungebrochen. Die Pandemie machte aber auch auf ein weiteres gravierendes Problem aufmerksam: den Verlust qualifizierter Mitarbeiter in der Hotellerie und MICE-Branche. Viele engagierte Gastgeber und erfahrene Fachkräfte wanderten aufgrund der sozialen Unsicherheit in die Industrie ab. Sie kehrten oft nicht zurück, da sie dort bessere Arbeitszeiten und höhere Gehaltsstrukturen vorfanden, insbesondere in Deutschland und Österreich. Diese Entwicklung stellt die Branche vor neue Herausforderungen und erfordert gezielte Strategien, um die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Hotellerie wieder zu steigern.

Wie hat sich die MICE-Kultur in der Schweiz nach Covid verändert? Welche Trends beobachten Sie?

Nach der Pandemie hat sich die MICE-Kultur in der Schweiz stark verändert und eine Reihe neuer Trends hervorgebracht. Ein zentraler Aspekt ist die Nachfrage nach flexiblen Locations. Modular gestaltbare Veranstaltungsräume, die sich schnell an hybride oder kleinere Events anpassen lassen, haben sich als besonders gefragt erwiesen. Gleichzeitig ist eine verstärkte Hinwendung zu naturverbundenen Locations zu beobachten. Outdoor-Veranstaltungen, insbesondere in den Alpen oder an Seen, bieten nicht nur ein hohes Maß an Sicherheit, sondern auch Inspiration durch die natürliche Umgebung.

Ein weiterer wichtiger Trend ist die technologisch anspruchsvolle Ausstattung von Veranstaltungsorten. Locations mit integrierter Streaming- und Videokonferenztechnik haben einen klaren Wettbewerbsvorteil, da sie den Anforderungen hybrider Formate gerecht werden. Regional ausgerichtete Events gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Viele Veranstalter setzen verstärkt auf lokale oder regionale Veranstaltungen, um lange Anreisewege zu vermeiden und gleichzeitig die Nachhaltigkeit zu fördern.

Zusätzlich wird ein Fokus auf kleinere Gruppen gelegt. Diese bieten den Vorteil von Exklusivität und persönlicher Interaktion, was nicht nur den Sicherheitsbedürfnissen der Teilnehmer Rechnung trägt, sondern auch eine individuellere Eventgestaltung ermöglicht. Schließlich sind erlebnisorientierte Formate stark im Kommen. Teilnehmer wünschen sich mehr Interaktion, kreative Gestaltungselemente und Teambuilding-Aktivitäten, die das Event zu einem besonderen Erlebnis machen.

Bleibt die Nachfrage nach hybriden und virtuellen Formaten in der MICE-Branche auch nach dem Ende der Pandemie bestehen?

Nach der Pandemie zeigt sich deutlich, dass der Wunsch nach realen, persönlichen Begegnungen wieder im Vordergrund steht. Besonders im Jahr 2022 waren Meetings in den Bergen oder an Seen mit geselligen Elementen und intensiven Teamerlebnissen sehr gefragt. Im Jahr 2024 hat die Nachfrage nach rein hybriden Events, wie sie während der Pandemie üblich waren, stark abgenommen. Diese Formate werden heute vor allem für interne Meetings genutzt, die sich in den Alltag der Unternehmen integrieren lassen.

Gleichzeitig gewinnen Mischformen zunehmend an Bedeutung. Diese Formate kombinieren Präsenzveranstaltungen mit hybrider Zuschaltung einzelner Teilnehmer oder Referenten. Solche Lösungen bieten eine gute Balance zwischen Kosteneffizienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität. Sie ermöglichen es, internationale Teilnehmer einzubinden, ohne dass diese reisen müssen, und tragen damit den aktuellen Anforderungen der Branche Rechnung.

Was muss die Branche angehen, um auch künftig im internationalen MICE-Geschäft erfolgreich zu sein? Bis 2030 werden ja Umsätze von rund 1,8 Mrd Dollar erwartet.

Um die Erfolgsaussichten der MICE-Branche im internationalen Wettbewerb zu sichern, sind verschiedene strategische Maßnahmen notwendig. Nachhaltigkeit wird weiterhin ein zentraler Faktor sein. Kunden und Regulierungsbehörden erwarten umweltfreundliche und transparente Konzepte. Zudem muss die technische Ausstattung vieler Veranstaltungsorte verbessert werden. Insbesondere hybride Events erfordern moderne Technologien wie Screens, WeFrames und integrierte Konferenzsysteme, die derzeit oft nur in Metropolregionen verfügbar sind.

Eine Herausforderung bleibt die Kapazitätsfrage: In ländlichen Gebieten, die oft bevorzugt werden, um dem Wunsch nach grünen, charmanten Locations gerecht zu werden, fehlen häufig entweder genügend Hotelbetten oder passende Tagungsräume. Darüber hinaus muss die Branche flexibler werden, wettbewerbsfähige Preise anbieten und dabei die Qualität beibehalten.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Förderung von Fachkräften. Die MICE-Branche benötigt engagierte Talente in allen Bereichen, von technischen Spezialisten bis hin zu mehrsprachigen Gastgebern. Es wird immer wichtiger, Fachkräfte gezielt zu schulen, um sowohl die technischen als auch die kulturellen Anforderungen der Branche zu erfüllen. Schließlich sollten Synergien innerhalb der Branche besser genutzt werden, um Effizienz und Innovationskraft zu steigern.

Welche spezifischen Vorteile bietet die Schweiz internationalen MICE-Kunden gegenüber anderen Ländern?

Die Schweiz bietet eine Vielzahl von einzigartigen Vorteilen, die sie als MICE-Destination hervorheben. Zu den klassischen Schweizer Stärken gehören Sauberkeit, Sicherheit, Perfektionismus, eine idyllische Umgebung und ein hoher Serviceorientierungsgrad. Ihre zentrale Lage in Europa macht sie zu einem optimalen Drehkreuz mit kurzen Flugzeiten aus vielen europäischen Städten. Zudem verfügt die Schweiz über eine erstklassige Verkehrsinfrastruktur, die durch internationale Flughäfen wie Zürich, Genf und Basel sowie ein effizientes und pünktliches Bahnsystem geprägt ist. Dies sorgt für eine stressfreie Anreise.

Sicherheit und Stabilität sind weitere wesentliche Vorteile. Die politische Neutralität der Schweiz gewährleistet Stabilität und Verlässlichkeit, was die Planung von Veranstaltungen erleichtert. Hohe Sicherheitsstandards bieten Gästen und Veranstaltern ein besonderes Maß an Sicherheit, unabhängig von der Größe des Events. Die Mehrsprachigkeit (Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch) erleichtert die Kommunikation und ist ein weiterer Pluspunkt für internationale Teilnehmer.

Darüber hinaus punktet die Schweiz mit globaler Konnektivität. Als internationales Zentrum für Wirtschaft und Diplomatie, mit Städten wie Genf, das Sitz zahlreicher internationaler Organisationen ist, bietet sie ideale Möglichkeiten für Networking. Die Schweiz schafft eine exklusive Plattform für den Austausch zwischen internationalen Unternehmen und bietet mit ihrer Kombination aus Professionalität und Naturkulisse eine unvergleichliche Eventerfahrung.

Welche Technologien (KI) spielen heute eine Rolle bei der Planung und Durchführung von MICE-Events? Können kleinere Player da überhaupt mithalten?

Künstliche Intelligenz (KI) hat mittlerweile eine zentrale Rolle in der Planung und Durchführung von MICE-Events eingenommen. Eine der Schlüsselanwendungen ist die Analyse von Teilnehmerdaten, die es ermöglicht, das Event-Erlebnis zu personalisieren und Vorschläge für die Agenda oder Networking-Möglichkeiten zu erstellen. Chatbots werden zunehmend für das Einladungsmanagement sowie für FAQs rund um die Veranstaltung und Support eingesetzt. Diese Tools bieten eine effiziente Möglichkeit, den Informationsfluss zu automatisieren und Teilnehmeranfragen schnell zu beantworten.

KI-gestützte Eventplattformen kommen ebenfalls zum Einsatz, insbesondere bei standardisierten Events. Hier hilft KI, passende Locations zu finden. Sobald jedoch ein individuelles Element hinzukommt, bleibt der menschliche Faktor weiterhin entscheidend. Budgetplanung per App und Simultanübersetzung via mobiler Anwendungen sind weitere Technologien, die den Planungsprozess vereinfachen und die Teilnehmererfahrung verbessern.

Auch kleinere Anbieter können von diesen Entwicklungen profitieren, da viele Open-Source-Lösungen verfügbar sind, die den Zugang zu fortschrittlichen Tools ermöglichen. Diese Innovationen machen deutlich, dass KI nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch dazu beiträgt, Events individueller und interaktiver zu gestalten.

Wie verändern Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und KI die MICE-Erfahrung? Wie wichtig ist das «Erlebnis» als solches?

Technologien wie Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Künstliche Intelligenz (KI) revolutionieren die MICE-Erfahrung und rücken das Erlebnis stärker in den Fokus. Obwohl bisher wenig Nachfrage nach VR- oder AR-Lösungen im MICE-Bereich besteht, eröffnen sie spannende Möglichkeiten. Ein Beispiel aus Japan zeigt, dass VR im Bildungsbereich als Alternative zu traditionellen Formaten genutzt wird, was auch auf hybride Meetings in der Zukunft übertragbar sein könnte. Dies bleibt jedoch vorerst Zukunftsmusik.

AR bietet zahlreiche innovative Ansätze: Teilnehmer können durch interaktive Inhalte wie Präsentationen, virtuelle Messestände oder 3D-Modelle zusätzliche Informationen in Echtzeit erleben. Veranstaltungsorte können virtuell erweitert werden, um Markenelemente einzublenden oder virtuelle Touren zu ermöglichen. Zudem sorgt die Integration spielerischer Elemente wie Schatzsuchen oder Live-Quiz-Spiele für erhöhtes Engagement.

KI bringt ebenfalls wertvolle Erweiterungen mit sich, etwa durch "Networking 2.0": Algorithmen verbinden Teilnehmer basierend auf Interessen und fördern zielgerichtete Gespräche. Interaktive Keynotes, bei denen Referenten AR oder VR nutzen, machen Präsentationen lebendiger und verständlicher.

Das Erlebnis ist heute kein bloßes "Nice-to-have" mehr, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor. AR, VR und KI helfen, Events zu individualisieren, zu intensivieren und auf globaler Ebene zu skalieren, wodurch sie die Erwartungen moderner Teilnehmer erfüllen.

Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit? Ist sie gekommen, um zu bleiben – oder wird sie zum «Nice to have»-Argument?

Nachhaltigkeit ist heute mehr als nur ein Trend – sie ist zu einem festen Bestandteil der MICE-Branche geworden. Regulatorische Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene machen nachhaltige Praktiken zu einer Pflicht und nicht bloß zu einer Option. Kunden fordern zunehmend transparente und umweltfreundliche Maßnahmen, und Nachhaltigkeit wird zunehmend als Unterscheidungsmerkmal im globalen Wettbewerb der MICE-Destinationen wahrgenommen.

Gleichzeitig gibt es Herausforderungen, die die Umsetzung erschweren könnten. Besonders kleinere Veranstaltungen oder Unternehmen sehen sich oft mit höheren Kosten konfrontiert, was nachhaltige Optionen weniger attraktiv macht. Zudem besteht das Risiko des Greenwashings, wenn Nachhaltigkeit nur als Marketing-Argument genutzt wird, ohne dass echte Maßnahmen ergriffen werden.

Dennoch überwiegen die Argumente für eine dauerhafte Integration von Nachhaltigkeit. Sie bietet nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern trägt auch dazu bei, langfristig Verantwortung zu übernehmen und sich den Erwartungen von Kunden und Regulierungsbehörden anzupassen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Schweiz positioniert sich weiterhin als eine der führenden Destinationen für MICE-Veranstaltungen weltweit. Zu den größten Stärken zählen die zentrale Lage, erstklassige Verkehrsanbindung und moderne Veranstaltungsorte. Die Sicherheit, politische Stabilität und eine exzellente Servicequalität schaffen ein ideales Umfeld für Veranstaltungen jeder Art. Zudem unterstreichen die atemberaubende Naturkulisse und der Fokus auf Nachhaltigkeit die Einzigartigkeit der Schweiz.

Trotzdem gibt es Herausforderungen. Hohe Kosten und begrenzte Kapazitäten, insbesondere für große Veranstaltungen, stellen Schwächen dar. Gleichzeitig bieten Trends wie Digitalisierung, der steigende Wunsch nach nachhaltigen und erlebnisorientierten Events sowie die internationale Zusammenarbeit enorme Chancen. Mögliche Gefahren, wie der Wettbewerb durch günstigere Destinationen oder wirtschaftliche Unsicherheiten, erfordern strategische Anpassungen.

Der Blick in die Zukunft zeigt, dass sich der Erfolg der Branche auf Innovation und Anpassungsfähigkeit stützt. Investitionen in hybride und technologische Lösungen, die Stärkung der Nachhaltigkeit und die Förderung von Fachkräften sind wesentliche Schritte. Die Schweiz hat das Potenzial, ihre Position als Premium-Destination für MICE-Veranstaltungen weiter auszubauen und damit sowohl den lokalen als auch den internationalen Anforderungen gerecht zu werden.

Kontaktieren Sie unser Team der MICE Service Group, um Ihre nächste Veranstaltung zu planen und von unserer Expertise zu profitieren!